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Band 1 – Tagebuch


Gras in den Dünen

– Band 1 –

Tagebuch

eines Überlebenden im Angesicht des Todes

ISBN: 978-3-8391-2573-1     Preis: 9,80 €


☼ Vorschau:     Leseprobe aus Band 1
☼ Bezug:     Amazon.de     ☼     Google Bücher




AUS DEM INHALT (Band 1)   »Tagebuch«


Inhaltsverzeichnis
Vorwort

Themenbereiche


Schicksalsschlag
Schicksal
Mein Weg
Das Leben im Griff haben
Begegnungen
Reichtum
Natur
Liebe
Herbst
Alter
Im Zyklus von Leben und Sterben
Ausblick
Brief an einen Freund




VORWORT zu BAND 1:   »Tagebuch«


Liebe Leserin, lieber Leser,

eine »harmlose« Schwellung in der Achselhöhle des linken Armes war im April 2006 bei mir untersucht und punktiert worden. Als eine Woche später mein Hausarzt überraschend persönlich mittags vorbeikam, um mir das Ergebnis mitzuteilen, ahnte ich nichts Gutes. Der Befund »Metastasen eines kleinzelligen aggressiven Karzinoms« traf mich aber dennoch wie ein Blitz aus heiterem Himmel. „Dann habe ich ja nicht mehr viel von meiner Pension?!“, bemerkte ich lakonisch als gerade mal 56-Jähriger. „Pension?!“, war seine knappe Antwort, aber ich hatte noch nicht ganz verstanden. Wir beide sind befreundet und machen uns von daher nichts vor. „Dann muss ich wohl schnell heiraten, damit wenigstens einer (gemeint war meine langjährige Lebensgefährtin) was von meiner Pension hat!“ – „Besser gestern als morgen!“, war die kurze Erwiderung und ich begann zu ahnen. „Aber wir feiern doch wohl noch wie letztes Jahr Silvester zusammen?“, war meine eher rhetorische Frage, die ich natürlich mit „Ja“ beantwortet sah. – Als dann aber die Antwort ausblieb und meinem Hausarzt die Tränen in die Augen schossen, da wusste ich endlich, wie es um mich bestellt war.

Auch alle Nachfolgeuntersuchungen zementierten den ersten Verdacht. „Es sieht sehr ernst aus!“, sagte später mein zweitältester Bruder, Hautarzt von Beruf, der sonst Krankheiten immer sehr »tief stapelt«. „Aber es besteht immer auch noch Hoffnung!“, fügte er an.

Und die Hoffnung stirbt zuletzt! – Wie froh bin ich heute, dass nichts sicher ist, dass auch die Medaille »Sicherheit« zwei unterschiedliche Seiten besitzt. Nun erst habe ich begriffen, dass jede Seite ihre Berechtigung und ihren positiven Aspekt hat.

Vier Phasen verschiedener Zustände und Prozesse konnte ich nach dieser Hiobsbotschaft bei mir ausmachen:

  • Schockzustand
  • Reanimationsprozess
  • Verarbeitungsprozess
  • Veränderungsprozess

Im Schockzustand (siehe hier im ersten Kapitel »Schicksalsschlag«: »Wenn Dich ein Schicksalsschlag trifft«) lässt man alles über sich ergehen, steht man »neben sich«. In diesem Zustand leidet wahrscheinlich das Umfeld des Betroffenen mehr als der Betroffene selber, der wie gelähmt erscheint, ja, fast unfähig ist, zu begreifen oder zu weinen. Bei mir hat dieser Zustand fast 14 Tage angedauert.

Dann kommt die Phase des Reanimationsprozesses, in der man Luft holt (siehe hier im ersten Kapitel »Besinne Dich auf Deinen Atem«), tief durchatmet, das Gestaltungsrecht wieder an sich reißen möchte. Ab dieser Phase wird wieder aktive Bereitschaft des Betroffenen vorausgesetzt, andernfalls verharrt man in einem komaähnlichen Zustand.

Jetzt wollte ich es genau wissen: »Was passiert da eigentlich?«. Ich fing an, alle für mich wichtigen Informationen zu suchen, mich zu informieren, zu lesen, in jeder freien Minute, die ich zur Verfügung hatte. Wartezeiten im Krankenhaus und bei Ärzten machten mir nichts aus: Ich hatte ja so viel zu lesen! – In kürzester Zeit wurde ich Fachmann meiner bis dahin seltenen Krebserkrankung, fing an, wieder selber Entscheidungen auch über medizinische Eingriffe zu hinterfragen und mitzuentscheiden, auch gegen den Rat von Ärzten und Freunden, was mir nicht leicht fiel und viel Kraft kostete: Aber ich hörte mehr in mich hinein, nahm Hinweise meines Körpers und Intuitionen meines Geistes wahr, schenkte ihnen mehr Bedeutung und Vertrauen als jemals zuvor.

Erst in der dritten Phase des Verarbeitungsprozesses fing ich an, über mich selbst tiefergehend nachzudenken, über das Leben allgemein, über das geführte eigene Leben: Man hält inne, sucht unerledigte Lebensbaustellen zu orten (Was sehr schmerzhaft sein kann!) und aufzuarbeiten mit dem Ziel, das »verbleibende bisschen Jetzt«, das »Jetzt« und das »Jetzt erst recht« sinnerfüllend und so lebenswert wie möglich auszugestalten.

Jeder von einem Schicksalsschlag Getroffene wird wahrscheinlich seine eigene Strategie entwickeln (müssen!). Dabei greift man unbewusst zu der Literatur, die einem zusagt: Alle Autoren, die wie ich metastasiert vor dem scheinbar unausweichlichen Ende standen und dies vorerst überstanden, hatten trotz unterschiedlicher Ansichten und Erfolgsstrategien eines gemeinsam: Sie alle gingen offensiv mit ihrer Erkrankung um und wurden spiritueller als vor ihrer Erkrankung.

Das bestätigte nur meine eigene Erkenntnis. Deshalb bereitete ich einerseits meine Umwelt (Familie, Freunde, Arbeitskollegen, Nachbarn und Bekannte) auf die Auswirkungen meiner Krankheit vor, andererseits fing ich an, im Stillen und meditativ Ventile zu öffnen, »heiße« Luft abzulassen, Ursachen in meiner Psyche und Lebensführung zu suchen: Wo habe ich Altlasten und wie kann ich sie entsorgen? Ein oft schmerzhafter Vorgang! Aber man sollte mit dem Öffnen von Fässern, deren gefährlichen Inhalt man nicht abzuschätzen weiß, sehr vorsichtig sein!

Jeder, der seine Psyche öffnet, sein tiefes Innere nach außen kehrt, wird sich wundern, welche ungekannte Weisheit in ihm steckt, welches universale Wissen wir gerade durch und nach Schicksalsschlägen »anzapfen« können.

Ich für meinen Teil fing an zu schreiben: Ganz Alltägliches, ganz Banales … und siehe da: Nichts war und ist banal, was aus ungefilterter Tiefe kommt. Da fragt man sich oft erstaunt: Hat man das selber geschrieben?!

In verschiedenen Krebsforen führte ich offene Tagebücher mit angehängten heilsamen Wünschen (verdeckten Affirmationen), die, wie man schnell merkt, auch und erst recht mir selber galten und immer noch gelten.

Da spricht manchmal der »innere Guru«, der man gerne wäre, der unbeeinflussbare standfeste Fels in der Brandung, zu dem man aber leider oft erst durch einen Schicksalsschlag Zugang findet. Das nenne ich die »Chance des Schicksalsschlages« oder spezieller »Krebs als Chance«, nämlich an menschliche und geistige Tiefen heranzukommen, die einem zuvor verschlossen waren. Der Schicksalsschlag zwingt den Betroffenen förmlich, den Fokus auf ganz andere Dinge zu lenken als bisher.

Wer diesem »Zwang« folgt, diese Chance begreift und vollzieht, kann die Wucht und Härte des Schicksalsschlages ganz entscheidend abfedern, indem er die Energie des Schlages in eine andere Richtung lenkt: Innere Stärkung, innere Vielfalt, heilende Tiefenspülung, alles Voraussetzungen für wirklich innere (und eventuelle äußere) Heilung.

Das vorliegende Buchprojekt »Gras in den Dünen – Tagebuch eines Überlebenden im Angesicht des Todes« zeigt Einblicke in diese letzten beiden Phasen des Verarbeitungs- und Veränderungsprozesses, in das Innehalten und die Rückbesinnung, die verstärkte Wahrnehmung des »verbleibenden bisschen Jetzt«, des »Jetzt« und des »Jetzt erst recht«. Wie ein bunt gemalter Blumenstrauß spiegeln nachfolgende Beiträge die Farben des Lebens nach solch einem Schicksalsschlag wider.

Meine damaligen Internet-Tagebuch-Aufzeichnungen sind innerhalb von drei Monaten allein in einem Krebsforum weit über 10.000 Mal angeklickt worden. Als mir die Bearbeitung und Korrespondenz mit immer zahlreicheren Internet-Usern aber zu anstrengend wurde und aus meinem engsten Umkreis schon die ersten Klagen kamen, habe ich mich dort im November 2007 aus der Internetpublikation verabschiedet, meine Einträge gelöscht und mich zurückgezogen.

Aus meinen damaligen Aufzeichnungen, Notizen und Wünschen (Affirmationen) band ich dann im Dezember des gleichen Jahres zu Weihnachten einen kunterbunten Schicksalsstrauß und schenkte ihn als Büchlein selbst gebunden meiner treuesten Begleiterin in dieser Zeit: meiner Frau. Wenig später folgten meine Eltern, Brüder, Kinder und enge Freunde.

Wir Krebspatienten dürfen nicht vergessen, dass unsere Angehörigen, unsere Freunde und nächste Umwelt oft die noch viel stärker Betroffenen sind: Sie alle leiden schuldlos mit, ohne jedoch irgendwelche Schmerzmittel zu erhalten. – Kein Arzt kümmert sich wirklich um sie und sie können noch weniger als Ärzte und der Betroffene selber an der Krankheit und deren Zustand etwas ändern. Die einzige Linderung, die einzige Wohltat, die wir ihnen zurückgeben können, ist: Gezeigte tiefe Dankbarkeit, Liebe von ganzem (dankbaren) Herzen oder eben solch ein Blumenstrauß der Mitteilungen.

Übrigens erlebe ich leider oft genau dieses Manko bei einigen Krebspatienten, die sich ihrer Umwelt, selbst ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin gegenüber verschließen in dem irrigen Glauben, »den Ball flach halten«, ihr Schicksal in sich »hineinfressen zu müssen«, wie es mir gegenüber mal jemand ausdrückte, um ihre Umwelt zu schonen. Dabei bemerken sie aber nicht, dass sie das Übel nur noch vergrößern (siehe dazu meinen »Brief: Missbrauche deine Krankheit nicht« in meinem zweiten Buchprojekt »Gras in den Dünen – Band 2 – Briefe und Notizen eines Überlebenden im Angesicht des Todes«).

Mitteilen heißt ja nicht: Ständig zu jammern, heißt nicht: die Schuld anderen zuzuweisen, darf auch nicht heißen: »verbal um sich zu schlagen«!

Mitteilen kann leise vonstattengehen, ein verständnisvoller Blick sein, ein Wort wie »Danke«, ein Satz wie »Für Dich allein lohnt es sich (noch oder) schon zu leben«. – Das sind die besten Schmerzmittel für die leidende Umwelt und stärkende Affirmationen für den Krebspatienten selbst.

Aber der Krebspatient sollte auch über seine Leiden und psychischen und physischen Schmerzen sprechen: Wie sonst soll ein »Gesunder« uns richtig einordnen können?

Wir Krebspatienten haben doch nicht mehr als unser Leben zu verlieren. Also können wir uns offener denn je mitteilen, unsere »Restlebenslaufzeit« nutzen, um Tiefe und Gefühle in vorher nie gekannter Weise zu zeigen, Impulse auszusenden wie: »Ich bin da« und »Ich bin im Hier und Jetzt wieder angekommen«.

Mit dem hier vorliegenden selbst gebundenen Schicksalsstrauß hoffe ich, Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, zu weit tieferen eigenen Erkenntnissen Ihres Schicksalsschlages verhelfen zu können. Oft bedarf es ja nur noch eines kleinen Anstoßes. Mein Anliegen ist, ein harmonisches Stimmungsbild zu erzeugen, das Ihre Psyche und damit Ihr Immunsystem stärkt. Lassen Sie sich darauf ein. Malen Sie sich selbst Ihr Gemälde, schaffen Sie Ihr kleines Kunstwerk aus Notizen und Skizzen oder Sprachaufzeichnungen und beobachten Sie den Wandel in Ihrer Umgebung und erst recht bei sich selber. Haben Sie den Mut, mit Ihrem Schicksal offen umzugehen. Sprechen Sie mit Ihrer Umwelt und teilen Sie sich mit. Betrachten Sie beide Seiten jeder Medaille und achten sie dabei mehr auf die Ihnen verbleibenden positiven Seiten, die es immer gibt, wenn Sie denn bereit sind, sie zu suchen, zu sehen und dann auch anzunehmen!

Und wenn Sie darüber hinaus »Krebs als Chance« begreifen können, jetzt noch tiefsinniger, leidenschaftlicher und lebensfroher zu leben, die Welt neu zu bestaunen, zu begreifen, zu reifen … geht es Ihnen psychisch per se schon besser, beginnt Heilung, zumindest im Innern, und Sie werden auf eine ganz besondere Art glücklich … (Ich weiß, wovon ich spreche!). Vielleicht erleben ja auch Sie dann Ihr »kleines Wunder«, wie es bei mir eintrat: Ich lebe noch … und bewusster und dankbarer denn je,

herzlich,

Stephan Wolters

© Mai 2009

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